Ich bin schon so oft gefragt worden, wie ich eigentlich zu meinem Job gekommen bin, dass ich mir schon lange vorgenommen habe, diese Story mal aufzuschreiben – dann muss ich sie nicht jedes Mal aufs Neue erzählen ;-)
Viel Spaß beim Lesen!
Der erste Kontakt
Im Juni 2014 saß ich das erste Mal in einem Tesla Model S – lang lang ists her. Etwa zwei Kilometer durfte ich mitfahren, dieser Moment hat wohl so ziemlich alles verändert. Ich war hellauf begeistert von dem großen Touchscreen, dem ungewohnt schlichten Design und natürlich von der brachialen Beschleunigung. Also begann ich, mich mit dem Thema Elektromobilität zu befassen – seitdem hat es mich auch nicht mehr losgelassen. Ich las mich ein, recherchierte und stellte irgendwann fest: So ein Elektroauto macht nicht nur Spaß und ist umweltfreundlich, es wäre in Betrieb und Unterhalt sogar billiger als ein Verbrenner. Mein Papa war damals als selbstständiger Kaufmann extrem viel unterwegs, 60.000 km pro Jahr waren schnell erreicht. Die Rechnung, nach der es sich bei immensen Spritkosten lohnen würde, stattdessen elektrisch zu fahren, war eine ziemlich einfache. Der schwierigere Teil war, meinen (doch relativ konservativen) Papa davon zu überzeugen, sich nach Jahrzehnten von Mercedes-Benz abzuwenden und „einen Ami“ zu kaufen.
Überzeugungsarbeit
Zwar leuchteten ihm die Zahlen ein, doch die Skepsis blieb: Wo lädt man so ein Auto denn auf? Was ist, wenn es mal keine Ladesäule in der Nähe hat? Wie weit kommt man damit wirklich? Was ist, wenn der Akku kaputt geht? Um diese Punkte auszuräumen, halfen Probefahrten, das Tesla Fahrer und Freunde-Forum und vor allem die tollen Enthusiasten und Expertinnen von Electrify-BW, deren Stammtische und Fachvorträge wir vor der Kaufentscheidung öfters besucht haben.
Ein halbes Jahr nach meiner ersten Fahrt in einem Tesla hatte sich mein Vater durchgerungen, ein Elektroauto zu kaufen. Allerdings kein Model S, sondern eine Zoe für meine Mutter. Der Tesla wurde erst bestellt, nachdem wir im tiefsten Winter bei zweistelligen Minusgraden mit einem P85+ in die Schweiz gefahren sind und alles absolut reibungslos funktionierte.
Der erste Tesla
Ein weiteres halbes Jahr später (ja, so lang waren damals die Lieferzeiten) wurde das Model S geliefert und es begann eine tolle Zeit: Mein Papa hat den Wagen wie geplant eingesetzt und es hat einfach alles super funktioniert, trotzdem war aber immer noch ein bisschen Pionier-Spirit dabei: Supercharger gab es, aber nicht im Überfluss, ähnlich sah es bei anderen Ladesäulen aus. Was bei ihm als Maschinenhändler aber immer super geklappt hat: Beim Kunden einfach an 32A Drehstrom laden – das hat so manche Ladepause erspart.
Auch bei mir persönlich hat sich durch den Schritt zum Elektroauto viel getan: Wir haben zwei nationale Konferenzen Elektromobilität besucht, ich bin auf der eTourEurope 2.000 km in einer 22 kWh-Renault Zoe durch Europa mitgefahren und durfte generell viele tolle Menschen im Zusammenhang mit E-Autos kennenlernen.
Konsequenterweise machte ich dann auch meinen Führerschein auf einem Elektroauto, nochmal zum Verbrenner zurückzugehen kam für mich nicht in Frage.
Parallel dazu begannen wir, Papas Model S zu vermieten. Die Reaktionen bei seinen Kunden auf das Auto waren durch die Bank weg begeistert, viele wollten Probefahren und alle sind danach mit dem typischen „Elektro-Grinsen“ ausgestiegen. Deswegen hatten wir die Idee, diese Begeisterung unternehmerisch zu nutzen und starteten einen kleinen Verleih.
Aus Versehen Autovermieter geworden
Vermietversicherung angemeldet, eine Baukasten-Webseite hochgezogen, fertig. Von der Resonanz waren wir überrascht, denn ruckzuck stand mein Vater ohne Auto da, weil die Mietnachfrage so groß war.
Also mussten weitere Autos her, insgesamt waren es sieben Teslas und noch eine weitere Renault Zoe. Parallel zu den eigentlichen Jobs meiner Eltern und meiner Schulausbildung haben wir also noch nebenher eine Elektroautovermietung betrieben. Dabei haben wir viele Menschen zur Elektromobilität gebracht, standen oft mit unseren Autos auf den von Electrify-BW organisierten Ausstellungen und haben viele Brautpaare am schönsten Tag Ihres Lebens lautlos zum Altar gefahren. Trotz allem Stress, den wir als Familie mit zwei Unternehmen hatten, war es eine tolle Zeit.
Studium in München und aus Versehen zum Auto-Journalismus gekommen
Ende 2018 bin ich dann nach meinem Abitur für das Studium nach München gezogen. Ich schrieb mich an der TUM für Elektrotechnik ein und nahm zwei Teslas mit, um sie dort zu vermieten. Allerdings habe ich relativ schnell gemerkt, dass ein Studium nicht so einfach „nebenher“ läuft wie zuvor die Schule und sich mit der Autovermietung ziemlich beißt. Mein Vater gab außerdem krankheitsbedingt sein bisheriges Handelsunternehmen auf und musste auch etwas kürzer treten, deswegen haben wir schon 2019 begonnen, die Flotte etwas zu verkleinern.
Nach einem Semester Elektrotechnik entschied ich mich, zum Maschinenwesen zu wechseln und wollte das halbe Jahr Luft, dass sich nun ergab, sinnvoll nutzen. Deswegen ging ich als Werkstudent zum Startup emobly und begann dort, kleine Online-Artikel zu schreiben – so bin ich zur Autotesterei gekommen und habe gemerkt, wie viel Spaß mir das macht. Nach knapp einem Jahr wechselte ich von emobly zum Fachmagazin Elektroautomobil und seit Anfang 2021 schreibe ich zusätzlich noch für den Autoclub Europa.
Ein hartes Ende und Veränderungen
Im Frühjahr 2021 hat mein Vater den Kampf gegen seine Krebserkrankung verloren, mit diesem einschneidenden Erlebnis war dann auch die auf Sparflamme laufende Autovermietung endgültig Geschichte.
Rückblickend erkenne ich, dass auch ich selbst mich in den letzten sieben Jahren stellenweise komplett verändert habe (seien es Detailfragen, dass ich z.B. längst kein Tesla Fanboy mehr bin, wie ich es mal war, oder auch, dass ich im Großen und Ganzen wesentlich gelassener bin und mich nicht mehr von jeder Stammtischparole über Elektroautos auf 180 bringen lasse).
Bis jetzt haben sich die besten Möglichkeiten immer durch Zufall ergeben – ich bin gespannt, was in den nächsten sieben Jahren noch alles kommen wird.
Jetzt blicke ich optimistisch nach vorne: Ich habe wieder mehr Zeit für mein Studium und nebenher darf ich mit Elektroautomobil und Autoclub Europa für zwei starke Medien arbeiten. So habe ich immer ein umfassendes Bild über die aktuellen Entwicklungen und wenn ich dann irgendwann mal fertig studiert habe (Regelstudienzeit wird völlig überbewertet), kann ich als Ingenieur diese Entwicklung in der Autoindustrie mit vorantreiben.
Nachtrag
Ich habe mehrere große Abhandlungen über Elektromobilität geschrieben. Damals nannte ich das noch selbstbewusst-dreist „Studie“ – das würde ich heute nicht mehr machen. Auch einige der damals getroffenen Aussagen würde ich so nicht wiederholen, aber mit 15/ 16 darf man glaub auch ein bisschen übertreiben. Der eine oder andere Punkt ist aber auch heute noch aktuell, deshalb biete ich diese Dokumente hier weiterhin für Interessierte zum Download an.
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Haui (Samstag, 01 Mai 2021 20:00)
Nette Retrospektive. Und ja, die Zukunft wird spannend!
Harry (Samstag, 29 Mai 2021 14:08)
Tolle Geschichte, danke fürs Teilen! Mach deinen Ingenieur fertig, ab dann kannste richtig Geschichte schreiben und Elon und Herbert zeigen, wo der Hase läuft!