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Erster Eindruck zum Mercedes-Benz EQV

Ich hatte gestern spontan die Möglichkeit, eine kurze Runde durch Stuttgart in der elektrischen V-Klasse zu drehen. Das reicht natürlich nicht für einen wie von mir sonst gewohnten, ausführlichen Testbericht, dafür werde ich den EQV zu einem späteren Zeitpunkt noch intensiver unter die Lupe nehmen. Meine ersten Eindrücke will ich Euch aber trotzdem nicht vorenthalten:

 

 

Fühlt sich kein bisschen nach Van an. Positiv!

Das Fahrgefühl ist überraschend sportlich, auch in einem Van hilft ein großer Akku eben zu einem niedrigen Schwerpunkt und verbessert die Dynamik deutlich. Sogar durch schmale Stuttgarter Seitenstraßen passt der EQV (5,14 m lang und 2,24 m breit) wunderbar hindurch, fühlt sich erstaunlicherweise fast ein bisschen wendiger als ein Model S an. Man merkt eben doch, dass dieses Auto für Europa und von Deutschen entwickelt wurde. Einzig die Kickdowns sind ein bisschen enttäuschend: Der Vorderradantrieb limitiert den Vortrieb hier deutlich, da wäre mit einem Allrad- oder Heckantrieb sicher mehr möglich, denn untermotorisiert ist er mit 204 PS/ 150 kW und 360 Nm nicht. Andererseits ist eine V-Klasse elektrisch wie als Verbrenner grundsätzlich dafür gedacht, mit vielen Menschen und oder Lasten beladen zu werden, da beschleunigt man an der Ampel sowieso nicht wie irre.

Ein schönes Bonbon: Über die verschiedenen Rekuperationsstufen lässt sich echtes One Pedal Driving einstellen, das Bremspedal braucht man nur noch an der Ampel und beim Einparken.

 

 

Verbrauch geht in Ordnung

Ich bin den EQV nur eine Stunde gefahren, das aber sehr zügig mit einigen Kickdowns, vom Mercedes-Benz Museum hoch zum Fernsehturm und wieder zurück. Viel Stop and Go, auf freien Abschnitten so viel getreten wie möglich. Damit bin ich bei 31 kWh/ 100 km gelandet, bei einer nutzbaren Akku-Kapazität von 90 kWh entspricht das einer Reichweite von 290 km. Für meine Bleifuß-Fahrweise in einem 2,7 Tonnen Schiff geht das völlig in Ordnung. Mein Blogger-Kollege Mark Kreuzer hatte etwas mehr Zeit und kam in einer längeren Runde auf 26 kWh/ 100 km, was 346 km Realreichweite entspricht. Beide Werte sind natürlich nur bedingt aussagekräftig, dafür werde ich dann mal einen größeren Test machen. Aber auch auf kurzen Fahrten sind meine Werte in aller Regel eher an der oberen als an der unteren Grenze, 300 km Reichweite sollten also einigermaßen praxisnah sein.

Mit MBUX kann man mich jagen

Mit dem vielgelobten und hochgepriesenen Entertainmentsystem MBUX werde ich mich wohl nie anfreunden, ich finde es einfach nur nervig. Alles voller Glitzereffekte, quietschbunte Farben, endlos verschachtelte Strukturen, kein einheitliches Bedienkonzept (Touchscreen, ein „Multifunktionsteil“, zig Tasten am Lenkrad und noch jede Menge Knöpfe rund um den Bildschirm) und eine Sprachsteuerung, über die man bei Tesla, aber auch bei Porsche (!) wohl nur lacht. Und nein, ich bin keiner von denen, die die Tesla UI über alles stellen und jedes andere System doof finden. Ich fand beispielsweise die Software im Taycan super und bei Nio bin ich sogar durchgestiegen, obwohl da alles auf Chinesisch ist. Aber Mercedes versteht es einfach irgendwie seit Jahren zuverlässig, seine Benutzeroberflächen möglichst unintuitiv zu machen – vielleicht erweist es sich ja im Alltag als gut, aber die paar Stunden, die ich immer mal wieder mit MBUX hatte, haben nie gereicht, um es zu verstehen (siehe auch meinen Langstreckenbericht zum EQC).  

 

Der Ladeplaner ist super

Einen Aspekt am Infotainment will ich aber ausdrücklich loben: Der EQV hat einen Tripplaner an Bord, der auf mich sehr brauchbar wirkt, er plant auf längeren Strecken Ladestopps ein, sagt den Akkustand bei Ankunft vorher und prognostiziert minutengenau die nötige Ladezeit. Diese gibt Mercedes-Benz für 0- 80 % an einer DC-Ladestation (bis zu 110 kW via CCS) mit 45 Minuten an.

Ich kann nach einer Stunde natürlich nicht sagen, was der Ladeplaner in der Praxis taugt, aber vom ersten Eindruck her wirkt das auf mich auf einem Level mit Tesla und Porsche – sonst kann das so noch keiner.

 

Fazit

Es gibt am EQV eigentlich nur drei Dinge auszusetzen:

 

1) er ist mit einem Basispreis von 70.000 € verhältnismäßig teuer (das ist ein Mercedes aber grundsätzlich und somit nicht wirklich ein Argument).

 

2) er fühlt sich (wie auch der EQC) einfach sehr nach Verbrenner an. Im Display werde ich daran erinnert, vor dem Verlassen des Wagens die „Zündung“ auszuschalten, Frunk gibt es keinen und der E-Motor ist genau dort verbaut, wo auch der Verbrenner sitzen würde – der EQV kann seine Verwandtschaft zur V-Klasse eben nicht leugnen.

 

3) MBUX. Es ist einfach schrecklich unintuitiv und ich werde nie irgendwo schreiben, dass das ein gutes Infotainmentsystem ist. Andererseits ist das ja in genug anderen Mercedes-Modellen verbaut und die Kunden kaufen die Fahrzeuge trotzdem, vielleicht bin ich ja wirklich ein Ausnahmefall und alle anderen finden das total toll.

 

Diese drei Gründe sind vor allem für mich persönlich negativ, aber ich bin auch durch jahrelange Elektro-Erfahrungen vorbelastet und kann dem Gefühl, in einem Verbrenner zu sitzen, absolut nichts abgewinnen. Die Mercedes-Zielgruppe hingegen könnte genau deswegen auf den EQV abfahren, weswegen ich denke, dass der sich sehr gut verkaufen wird. Ein langstreckentauglicher Van fehlte bisher in der Elektro-Welt, gut, dass Mercedes-Benz diese Lücke jetzt schließt!

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