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Postfaktisches Interview: "E-Mobilität klimaschädlichste Antriebsart"

Neues ist unbequem. Neues bedeutet Umstellung. Neues kann weh tun, obwohl es besser ist. Deswegen finden viele Menschen das Verharren beim Alten bequemer. In aller Regel kann dieses Klammerverhalten nicht rational begründet werden, egal, wie sehr man nach Gründen sucht. Als ich das erste Mal in einem Elektroauto saß, habe ich auch ständig Gründe gesucht, warum das doch eigentlich nicht funktionieren kann. Dieses Verhalten ist normal und ich erlebe es tagtäglich.

 

 

 

 

Vor ein paar Jahren war das Thema „Reichweite“ der große Angstmacher, es gab fast einmal pro Woche einen Zeitungsartikel über Auto-Journalisten, die mit einem Elektroauto irgendwo liegen geblieben sind. Irgendwann haben die Menschen realisiert, dass ein durchschnittlicher PKW in Deutschland weniger als 50 Kilometer täglich bewegt wird, das Thema Reichweite war durch.

 

 

 

 

Als nächstes kam: Ladeinfrastruktur: Ladezeit zu lang, Dichte zu gering, Kosten zu hoch. Mit seinen Superchargern hat Tesla jedoch bewiesen, dass auch das Thema lösbar ist und Firmen wie Ionity bauen nun auch für andere Hersteller ein Schnellladenetz auf.

 

 

 

Was bleibt nun, um sich Elektroautos schlecht zu reden? Richtig, man zweifelt einfach die Rechtfertigung des Elektroautos, nämlich die geringeren Luftschadstoff- und Treibhausgasemissionen an. Dieses Thema wird seit Monaten immer wieder aufgewärmt und immer wenn ich denke, dass die Debatte jetzt endlich durch ist, kommt doch wieder irgendein vermeintlicher Experte um die Ecke, lobt den Diesel in den Himmel und verteufelt das Elektroauto.

 

 

 

 

Diesmal war es Dr. Volker Schmidt (Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Niedersachsenmetall), der in einem Interview in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ ein Interview mit der Überschrift: „E-Mobilität klimaschädlichste Antriebsart“ gegeben hat. Allein dieser Satz ist auf so vielen Ebenen verstörend, dass man sofort weiterlesen möchte und es geht in bester Trump’scher „Fake-News“-Manier weiter. Die geballte Ladung Halbwissen gibt es hier zum Nachlesen.

 

 

 

Weil das Interview nur so vor alternativen Fakten strotzt, möchte ich mit diesem Beitrag die tatsächlichen Fakten zeigen. Dafür habe ich mir das Interview Aussage für Aussage vorgenommen und jeweils daruntergeschrieben, wie es wirklich ist.

 

   

 

„Die EU versucht, Elektromobilität mit der Brechstange einzuführen und zwar unabhängig davon, ob E-Fahrzeuge überhaupt vom Verbraucher angenommen werden.“

 

 

Die EU hat eine Senkung des CO2-Flottengrenzwertes um 37,5% von 2021- 2030 beschlossen, die gesamte Neuwagenflotte eines Herstellers dürfte dann 2030 im Schnitt nicht mehr als 59g CO2 pro Kilometer ausstoßen. Ja, das ist wenig. Aber problemlos machbar: die meisten PHEV (Plug-In Hybride) halten diesen Grenzwert bereits heute ein, BEV (rein batterieelektrische Fahrzeuge) sowieso. Weil diese den Schnitt nach unten ziehen, dürfen auch weiterhin Verbrenner mit entsprechend höheren CO2-Werten verkauft werden.

 

 

 

Das ist nicht „Elektromobilität mit der Brechstange“, das ist ein Wellness-Programm. Ich sehe auch kein Problem, dass die Verbraucher die Fahrzeuge annehmen werden. Nahezu alle großen Anbieter haben lange Lieferzeiten für ihre Elektromodelle – das liegt sicher nicht daran, dass niemand die Autos haben will. In Amerika verkauft sich Teslas Model 3 in seiner Fahrzeugklasse übrigens besser als alle Verbrenner der Konkurrenz zusammen. Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen ist wirklich das Allerletzte, um was ich mir Sorgen mache.

 

  

 

„Die Produktion von Elektromobilen ist äußerst CO2-intensiv. Allein die Herstellung des Akkus setzt bei Mittelklassefahrzeugen um die 17 Tonnen CO2 in die Luft. Dafür muss ein Diesel oder ein Benziner erst einmal 200.000 km fahren, um auf diese Menge CO2 zu kommen. Und auch das ist nur ein Teil der Wahrheit, denn beim heutigen Strommix mit rund 55 Prozent aus fossilen Energieträgern tankt das E-Auto überwiegend Kohle. Dann können es sogar über 500 000 Kilometer sein, die der Verbrenner klimafreundlicher ist als der reine Elektroantrieb.“

 

Diesem Thema hat das Magazin Edison bereits einen Artikel gewidmet, den finden Sie hier. Peter Vollmer errechnet dort eine Laufleistung von 50.000 km, die ein Elektroauto braucht, um weniger CO2 auszustoßen als ein Verbrenner – also nur ein Zehntel der von Dr. Schmidt angegebenen 500.000 Kilometer.

 

 

 

 

Die 17 Tonnen CO2, die angeblich für die Produktion eines Akkus nötig sind, hat Herr Dr. Schmidt vermutlich der Studie des IVL aus Schweden entnommen. Diese Studie wurde bereits Mitte 2017 durch die Medien gepeitscht, eben, weil dort angeblich die 17 Tonnen CO2 für die Produktion eines Tesla-Akkus drinstehen.

 

 

 

Fakt ist aber, dass das so nicht in der Studie steht. Viel mehr werden darin verschiedene Studien verglichen und man kommt zu der Erkenntnis, dass die Beurteilung schwierig ist, dass Elektroautos echte CO2-Schleudern sein können, aber auch sehr klimafreundlich sein können, es kommt eben auf den Strommix im Produktionsland an. Hätte Herr Dr. Schmidt die Studie vor seinem Interview gelesen, wüsste er das. Ich habe sie auch nicht gelesen, aber Jana Höffner von Electrify-BW hat das getan und in einem Blogbeitrag wunderbar erklärt. Ebenfalls gute Berechnungen hat Christian Frey angestellt, er kommt auf 5 und nicht auf 17 Tonnen.

 

 

 

 

Zum Thema Strommix: Dieser hat 2018 einen Ökostromanteil von über 40% erreicht – viel mehr als man dachte und deutlich besser, als die 27%, die es 2013 waren. Auch das verbessert die Ökobilanz eines Elektroautos erheblich.

 

   

 

„Wenn wirklich im prognostizierten Umfang E-Autos gekauft werden, steigt der Stromverbrauch bei uns exorbitant an. Diese Rechnung macht interessanterweise derzeit niemand auf. Dann kann es passieren, dass wir unser Ziel von 50 Prozent erneuerbarer Energien bis 2030 gar nicht erst erreichen und stattdessen mehr Kohle- oder importierten Atomstrom benötigen. Diese Einführung der E-Mobilität mit der Brechstange ist vorne und hinten nicht zu Ende gedacht.“

 

 

Interessanterweise macht sehr wohl jemand diese Rechnung auf, Beispielweise Robyn Schmidt für Edison, Michael Brecht in der Welt sowie (bereits 2016) die Herren Sorge und Eckl-Dorna für das manager magazin. Wie man da zur Behauptung kommt, niemand mache diese Rechnung auf, ist mir unklar. Entweder ist das Unwissen (kann passieren, dann sollte man aber keine Interviews über das Thema geben) oder es ist eine humorvolle Zuspitzung (dafür ist das Thema in meinen Augen aber zu ernst).

 

 

Nicht zu Ende gedacht ist nicht die E-Mobilität, sondern die Aussage, dass diese mit der Brechstange eingeführt würde, weil sie sämtliche Fakten außer Acht lässt.

 

Mit den Zahlen von Edison (das sind im Vergleich die aktuellsten) gerechnet bekomme ich folgende Ergebnisse:

 

 

In einem all-electric-Szenario bei den PKW (nicht Neuzulassungen, sondern im Bestand), also 46,5 Millionen Elektrofahrzeugen in Deutschland ergibt sich ein Strombedarf von 129,47 TWh. Zieht man davon die 91 TWh ab, die Deutschland exportiert hat, ergibt sich ein realer Mehrverbrauch von 38,47 TWh pro Jahr. Das ist natürlich immer noch eine Menge Strom, allerdings werden pro Jahr 621 TWh erzeugt, dieser Wert müsste nur um 6,2% erhöht werden.  

 

 

Ja, das ist eine Hausnummer – aber ein „exorbitanter“ Anstieg des Stromverbrauchs sieht für mich anders aus.

 

 

Wir haben ein anderes Problem, das sind die Stromnetze, die ausgebaut werden müssen, weil der zusätzliche Strom nicht in Fabriken mit großen Stromanschlüssen, sondern in der breiten Fläche verteilt benötigt wird. Darum sollten wir uns jetzt mit Hochdruck kümmern – die Stromerzeugung ist ein wesentlich kleineres Problem.

 

 

 

„Wenn diese CO2-Grenzwerte 2030 in Kraft treten, bedeutet das je nach Hersteller einen E-Auto-Anteil von bis zu 70 Prozent. Und das, obwohl die Elektromobilität unter CO2-Gesichtspunkten alles andere als eine akzeptable Zukunftstechnologie ist. Das gilt sowohl für die Herstellung der Akkus als auch für den Strommix.“

 

Stimmt, Elektromobilität ist keine „akzeptable“ Zukunftstechnologie, sondern die beste. In Ergänzung zu den obigen Ausführungen zur CO2-Bilanz gibt es noch weitere gute Ausarbeitungen beim ICCT und dem Umweltbundesamt.

 

 

 

 

„[Aber der CO2-Ausstoß der Autoflotte ist ein Problem… ]… weil viele Kunden wegen des Dieselbashings auf Benziner umsteigen und so die CO2-Bilanz verschlechtern. Unter Klimagesichtspunkten ist der Feldzug der so genannten Deutschen Umwelthilfe gegen den Diesel geradezu verwerflich und im höchsten Maße widersprüchlich.“

 

Bei den Klagen der Umwelthilfe geht es auch nicht um CO2, sondern um Stickoxide. Hier ist definitiv der Diesel das Problem. Für das Klima ist es in der Tat ist es verwerflich, vom Diesel auf Benziner zu wechseln, sinnvoll ist nur ein Wechsel vom Verbrenner zum Elektroauto.

 

   

 

„Eine Scheindebatte. Es gibt bis heute kein einziges Beispiel dafür, dass durch Stickstoffdioxid im Straßenverkehr ein Mensch zu Tode gekommen ist.“

 

Es stimmt, dass in keinem Totenschein „gestorben an den Folgen hoher Stickoxid-Emissionen“ steht. Ebenso gibt es kein Beispiel, dass ein Mensch durch Lärm an Straßen zu Tode gekommen ist. Selbst bei Atomanlagen, in deren Nähe sich Krebserkrankungen häufen, kann man nicht sagen, ob dieser oder jener Mensch den Krebs nicht auch an einem anderen Ort bekommen hätte. Trotzdem zweifelt niemand an, dass Lärm oder radioaktive Strahlung gefährlich ist – das ist gesunder Menschenverstand. Bei den Stickoxiden ist es genauso. Rechnungen, die exakt festlegen, wie viele Menschen an den Folgen der Stickoxid-Belastung gestorben sind, sind problematisch, weil man eben nicht mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit sagen kann, ob dieser Mensch nicht auch in frischer Bergluft einen Herzinfarkt oder eine Bronchitis bekommen hätte. Nur weil man nicht exakt bestimmen kann, wie viele Menschen daran gestorben sind, kann man aber noch lange nicht sagen, dass niemand daran gestorben ist.

 

 

 

 

„Selbst das Bundesumweltamt räumt ein, dass es sich nur um politisch gesetzte Grenzwerte handelt. Sie sind toxikologisch nicht zu begründen.“

 

Zum Teil hat er hier recht, denn die Grenzwerte sind in der Tat falsch angesetzt. Sie sollten eigentlich noch viel niedriger sein. Das Umweltbundesamt schreibt, dass negative Auswirkungen auf die Gesundheit selbst bei 10 µg/m³ immer noch nicht ausgeschlossen werden können – vermutlich gibt es gar keinen Schwellenwert, Stickoxide sollten also weitestmöglich komplett vermieden werden. Toxikologisch zu begründen wäre folglich nur ein Grenzwert von 0 µg/m³. Mit dieser Aussage hat Herr Dr. Schmidt also sogar recht, wenngleich ich annehme, dass er damit für einen höheren statt einen niedrigeren Grenzwert plädieren wollte.

 

   

 

Im Übrigen sind viele Grenzwerte sind politisch gesetzt, weil man bei fast keinem Schadstoff eine sichere Schwelle festlegen kann, unter der ein Stoff komplett unschädlich ist. Wenn man so argumentiert, könnte man sämtliche Grenzwerte abschaffen.

 

   

 

„Es ist eine große Selbsttäuschung, der wir unterliegen. Vielleicht gehört es zum Merkmal saturierter Gesellschaften wie der bundesdeutschen, dass wir besonders für Hysterien und Angstpsychosen anfällig sind. Viele machen sich offenbar überhaupt keine Gedanken darüber, wie viele Arbeitsplätze durch diesen Feldzug gegen das Automobil auf der Kippe stehen.“

 

Wie viele Arbeitsplätze durch diesen „Feldzug“ auf der Kippe stehen? Kein einziger. Natürlich stehen Arbeitsplätze auf der Kippe und es werden auch Arbeitsplätze wegfallen, aber das liegt schlicht und ergreifend daran, dass jedes Land seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten muss, nicht an ominösen „Feldzügen“. Wie schlimm der Feldzug gegen das Automobil ist, merkt man übrigens, wenn man einmal mit dem Auto durch die Stadt fährt und dann mit dem Fahrrad. Auf welchem dieser fahrbaren Untersätze fühlt man sich wohl sicherer?

 

 

 

 

„Es handelt sich um eine hysterisch aufgeladene Debatte, die ausschließlich in Deutschland geführt wird, nirgendwo sonst.“

 

 

Deutschland ist nicht das einzige Land mit Fahrverboten. Überall in Europa werden ebenso Fahrverbote oder Sonderabgaben beim Befahren der Innenstädte eingeführt oder bestehen schon länger, eine sehr schöne Liste dazu findet sich beim ADAC

 

 

 

Herr Dr. Schmidts Analyse bezüglich der Hysterie ist korrekt, es gibt nur ein Problem: Hysterie kriegt man mit Fakten in den Griff, dass diese in seinem Interview allenfalls Randerscheinungen sind, hat sich ja bereits gezeigt. Damit trägt er leider nicht gerade zur Versachlichung bei, sondern eher zu noch mehr Hysterie.

 

  

 

„Offenkundig steht die Hälfte der 500 europäischen Messstellen hier in Deutschland, die andere Hälfte teilen sich die übrigen 27 EU-Staaten. Und die Werte verändern sich fundamental, wenn man die Messstellen nur einige, wenige Meter versetzt.“

 

Was ist das bitte für eine Argumentationsweise? Wenn ich nichts messe, ist die Luft auch nicht dreckig? Dann könnte die Deutsche Bahn auch aufhören, eine Pünktlichkeitsstatistik zu führen und sagen: „Wir wissen nicht, dass auch nur ein Zug unpünktlich war.“ Kann man so machen, ist aber dann lügt man sich leider in die eigene Tasche.

 

 

 

Natürlich ändern sich die Werte beim Versetzen einer Messstation. In Stuttgart bekäme man traumhafte Werte, wenn man die Messstation vom Neckartor in den Schlossgarten versetzen würde - da fahren ja auch keine Autos durch. Bei einer Überprüfung der 31 Messstationen in Aachen hat sich übrigens herausgestellt, dass von 31 Messstationen eine (!) falsch aufgestellt war, die restlichen 30 haben also korrekt gemessen

 

 

 

 

 

 

 

„Wir leisten uns als einziges Land der Welt den Luxus, eine Spitzentechnologie wie den Diesel nach allen Regeln der Kunst kurz und klein zu schlagen.

 

Der Diesel wird nicht „kurz und klein geschlagen“, er kommt jetzt einfach mal in der Realität an. Fakt ist, dass der Diesel den Menschen viele Jahre als sauberer und klimafreundlicher Antrieb verkauft wurde und sich herausgestellt hat, dass er weder das eine, noch das andere ist.

 

Die geringeren CO2-Emissionen haben übermotorisierte Fahrzeuge, insbesondere der SUV-Boom aufgefressen und wirklich sauber sind erst die neuen (und teuren) Euro-6d-TEMP-Diesel, alles davor waren Stickoxid-Schleudern.

 

 

 

Global spielt der Diesel übrigens eine weit weniger bedeutend, als wir in Deutschland immer denken. (, Zahlen von 2014). In Europa und Indien liegt dessen Marktanteil zwar bei 50%, in Südkorea immerhin noch bei 30%, in den USA nur bei 3%, in Japan 2%, in Südamerika und China sind es unter einem Prozent. (Quelle für die Zahlen hier). Ja, Elektroautos haben durchgehend einen noch geringeren Anteil – aber die sind seit nicht mal 10 Jahren wieder im Spiel, Dieselfahrzeuge seit über 100. Was VW mit der Clean-Diesel-Kampagne in Amerika erreicht hat, dürfte hinlänglich bekannt sein.

 

  

 

Wir ignorieren zudem, dass gerade die deutsche Zulieferindustrie in hohem Maße abhängig ist vom anspruchsvollen Dieselaggregat.

 

Wer Ignoriert das denn? Ich kenne keine Branche, um die sich Deutschland besser kümmert. Vom Status der Autoindustrie kann die Pflege nur träumen. Im Übrigen stimmt das nur bedingt. Auch ein Tesla hat viele deutsche Bauteile in sich – obwohl er keinen Verbrennungsmotor hat. Natürlich hängen einzelne hochspezialisierte Firmen am Dieselmotor – aber doch nicht die ganze Zuliefererindustrie.

 

 

 

Durch Elektrifizierung, Digitalisierung und Autonomes Fahren werden mindestens genau so viele neue Arbeitsplätze entstehen, wie beim Ende des Verbrennungsmotors Arbeitsplätze wegfallen werden. Es liegt jetzt in unserer Hand zu entscheiden, ob wir diese Arbeitsplätze in Deutschland haben wollen, oder sie an die USA und Fernost abgeben wollen.

 

 

 

„Ein Dieselmotor beispielsweise hat ungefähr 2200 Teile. Ein Elektromotor hat 150. Alleine das wird unsere Zulieferindustrie vor große Herausforderungen stellen.“

 

 

Ein Nokia-Mobiltelefon hatte auch mehr Tasten als ein Apple iPhone. Welche Firma verkauft heute mehr? 

 

 

 

„Nehmen Sie allein den neuen WLTP-Standard bei der Abgasmessung. Der wird in 14 Monaten in der EU durchgepeitscht, und gilt nicht nur für neue Modelle, sondern auch für bestehende Baureihen. So einen Eingriff in eine laufende Produktion hat es noch nie zuvor gegeben. Als Folge der Einführung von WLTP und Dieselbashing haben wir verunsicherte Käufer, entwertete Fahrzeugbestände und eine grassierende Unsicherheit über die gesamte Produktionskette.“

 

Der NEFZ war staatlich genehmigtes Schummeln. Die Fahrzeuge, die dort auf den Prüfständen waren, hatten nichts mit der Realität zu tun. Das einem das irgendwann auf die Füße fällt, war absehbar, dass der NEFZ nicht für alle Ewigkeit festgeschrieben ist, auch. Ja, die WLTP-Einführung in 14 Monaten war zügig – wenngleich man seit September 2015 absehen konnte, dass der NEFZ am Ende ist. Nichtdestotrotz sind auch im WLTP jede Menge Schlupflöcher enthalten – ein Video des SWR hat das sehr schön erklärt.

 

 

Am Dieselbashing ist vor allem die Autoindustrie selbst Schuld – hätte sie sich anders verhalten, wäre es nie dazu gekommen. So verkauft beispielsweise BMW in den USA Autos mit SCR-Kat, die wirklich sauber sind, in Deutschland aber nicht. Hätte man die saubere Technologie einfach überall eingesetzt, hätten wir die aktuelle Fahrverbots-Debatte gar nicht – technisch möglich war es.

 

In der Tat herrscht viel Unsicherheit bei den Autokäufern und auch bei den Autobauern. Da würden klare Richtlinien helfen, ab wenn Autos komplett emissionsfrei sein müssen, deswegen waren die neuen EU-CO2-Grenzwerte gut. Was da nicht hilft, sind Falschinformationen über die CO2-Bilanz von Elektroautos – dadurch verstärkt man die Unsicherheit nur.

 

   

 

Die Zulieferer befinden sich in einer Sandwichposition zwischen steigenden staatlichen Regulierungen, immer neuen Anforderungen, die auf die Automobilkonzerne einprasseln und extremer Planungsunsicherheit.

 

 

Alle diese „neuen Anforderungen“ und Regulierungen lassen sich in einer Anweisung zusammenfassen: Baut saubere Autos. Fertig. Ist das wirklich so neu?

 

   

 

Deutschland muss aufpassen, dass es nicht dem Mantra saturierter Gesellschaften verfällt, das da lautet: Es geht uns gut. Wir müssen uns nicht anstrengen Der Wohlstand ist in Stein gemeißelt. Das ist er eben nicht. (…) Wir dümpeln bei den Investitionen um die Nulllinie, obwohl wir eigentlich massiv in die Digitalisierung investieren müssten. (…) Wir holen heute übrigens nur das auf, was anderswo schon längst gang und gäbe ist. In China gibt es flächendeckendes 5G. Aber immerhin, es tut sich was, das Problem ist erkannt.

 

 

Wir müssen nicht jetzt in die Digitalisierung investieren, sondern hätten es bereits vor vielen Jahren tun müssen. Dem standen aber Skeptiker im Weg, die gemeint haben „das setzt sich eh nicht durch“, „viel zu teuer“, „das ist doch gar nicht besser“ und „das kostet doch nur Arbeitsplätze“. Diese „Wir- machen-einfach-nicht-mit-und-alle-anderen-sind-doof“-Strategie ist gründlich schiefgegangen. Na, entdeckt jemand die Parallelen zu Herrn Dr. Schmidts Aussagen über Elektromobilität?

 

   

 

Da begehen wir die Fehler der Digitalisierung gerade sehenden Auges und mit Anlauf erneut:

 

 

 

1.       Es sind jetzt große Investitionen nötig, das tut dann auch mal der Bilanz weh und es werden sicher auch ein paar Jobs wegfallen. Aber es wird noch viel mehr weh tun und es werden noch viel mehr Jobs wegfallen, wenn man in ein paar Jahren hinterherrennen muss. 

 

 

 

2.       Skepsis ist grundsätzlich nie verkehrt, aber wenn ein Thema bereits gefühlte tausend Mal durchdiskutiert wurde und man jedes Mal aufs Neue zum gleichen Ergebnis kommt (Elektromobilität ist fürs Klima immens wichtig und sie wird nicht mehr aufzuhalten sein), muss man irgendwann auch mal die Fakten akzeptieren.

 

   

 

Das man im gleichen Interview dermaßen auf E-Mobilität einhaut und 5G in den Himmel lobt (das auch noch mit Bezug auf China) und dann die Parallele, die einem doch wirklich ins Auge springt, nicht erkennt, finde ich schockierend.

 

 

 

Wenn wir in Deutschland in Sachen E-Mobilität weiter machen wie bisher, werden wir in ein paar Jahren zurückschauen und uns fragen, warum wir nicht früher gehandelt haben – so, wie wir es jetzt bei der Digitalisierung tun.

 

 

 

Um eins abschließend klarzustellen: Ich möchte sowohl Herrn Dr. Schmidt persönlich als auch den Verband Niedersachsenmetall mit meinen Aussagen nicht bloßstellen oder angreifen, aber mir ist das Thema einfach zu ernst, als dass ich derartigen groben Unfug unkorrigiert stehen lassen könnte.

 

 

 

Ich habe Herrn Dr. Schmidt per Mail einen Link zu diesem Artikel geschickt und bin auf seine Reaktion gespannt.

 

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